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Judith
Dellheim Herzlich
willkommen zum 4. Zukunftskonvent und da fragen die eine und/oder der andere,
was ein Zukunftskonvent ist bzw. sein soll. Weil
das eine ganz schwierige Frage ist, fange ich mit dem leichteren an, nämlich
mit „4.“ Diese nette Zahl verrät,
dass es schon mehrere Konvente gab. Genauer, seit 2003. Wenngleich der 1.
Konvent noch „BürgerInnenkonvent“
hieß, um Herrn Miegel von der gemeinsamen Zukunftskommission der Freistaaten
Bayern und Sachsen zu ärgern. Aber der Begriff hat für Verwirrung gesorgt und
Herr Miegel unseren Konvent nicht hinreichend verärgert zur Kenntnis genommen. Und
da es um Fragen des künftigen Zusammenlebens in der Gesellschaft geht, ist „Zukunftskonvent“
auch angemessener als BürgerInnenkonvent. „Konvent“
hat mit Reformation zu tun und der 1. Konvent hatte sein Datum gerade zum
Reformationstag, womit dreierlei gesagt sein soll: -
es geht uns um Reformen, die wirklich zukunftsfähige Entwicklungen
einleiten -
wir wollen keine neue Organisationsform bzw. keine neue Organisation
schaffen, sondern ein Forum für die
Diskussion von Zukunftsfragen -
„Forum“ wie „Sozialforum“ - wir wollen den Sozialforen
inhaltliche Impulse geben, was und auch etwas gelungen ist, vor allem dank
unserer Diskussion zu Problemen der Demographie und Migration. „Wir“
das sind Gabi Zimmer, Lutz Brangsch und ich und ab heute bzw. künftig
hoffentlich noch viele mehr. So
- und nun also fragen wir: „Was haben die Grenzen der EU
mit ‚kulturellen Identitäten’ und ‚europäischen Werten’ zu tun? Dürfen
sich Linke auf eine Debatte über ‚kulturelle Identitäten’ und ‚europäische
Werte’ einlassen?“ Es wäre eine glatte
Lüge, würden wir sagen, dass wir uns das Thema ausgedacht haben. Nein, Frau
Merkel hat es uns nahezu aufgezwungen. Frau Merkel kann übrigens nicht zwischen
EU und Europa unterscheiden. Die Differenz betrifft ja auch nur 271 Millionen
Menschen, ab 1.1.2007 ist die Differenz um ca. 30 Millionen geringer. Frau Merkel hat also
verkündet „Ein starkes und bürgernahes Europa ist
für uns alle wichtig. Europa muss auch seine Grenzen kennen. Deshalb streben
wir in der Europäischen Union eine privilegierte Partnerschaft mit der Türkei
an und keine Vollmitgliedschaft. Wir wollen ein einiges Europa ... Denn nur
einig kann Europa ein selbstbewusster Partner der USA sein und seine
Verantwortung in der Weltgemeinschaft wahrnehmen.“ Auch Oskar Lafontaine will eine privilegierte Partnerschaft mit der
Türkei und keine Vollmitgliedschaft. Allerdings fehlt mir das Verständnis dafür,
dass er mit dem Blick auf die Türkei im Jahre 2006 fragt: “werden
eine verstärkte Immigration und die daraus folgende Zusammensetzung der Bevölkerung
Europa tatsächlich stabilisieren? ….
Welche kulturelle Identität soll Europa letztlich am Ende dieses Jahrhunderts
haben? Das Einwanderungsland
USA wird bereits in 50 Jahren keine weiße Mehrheit mehr haben.“ Genug
geärgert, denn Christa Wolf hat pünktlich zum 4. Zukunftskonvent ihr neues Büchlein
„Adernetz“ herausgegeben. Sie schreibt von Gästen des sommerlichen
Dorftreffs auf ihrem Grundstück und ich meine, dass Ihr drei klitzekleine
Stellen zur Einstimmung auf Gabi und Frieder hören sollt: „Das
Stichwort ‚Abendland’ ist gefallen, einer der Freunde ist auf Urlaub von
einer Hilfsorganisation im Kosovo und berichtet von den Zuständen dort … Und
von den Hoffnungen der Menschen. … Die Rede kommt also auf die ‚christlichen
Werte’, die in aller Munde sind … Sie seien doch, sagen uns die Politiker,
die uns dafür gewinnen wollen, die Grundlage für unsere europäischen Werte.
Schweigen. Und welches, frage ich in den Raum hinein, sind eigentlich die europäischen
Werte!“ Dann
kommt man auf Sprachverarmung durch den deutschen Faschismus und so auf Heinrich
Böll: „Böll beklagt: das ‚Nicht-wohnen-Können der Deutschen’? Was,
denke ich, ein Grund dafür sein mag, dass wir Deutschen, selbst nicht heimisch,
anderen das Wohnrecht in unserem Land gerne verweigern. Bis heute.“ Und
eine Immigrantin sagt: „Seit zwei Jahren bin ich hier und habe immer noch
keinen Deutschkurs. Wir haben ein Dach übern Kopf, Essen und Trinken, aber ich
brauche Nahrung für meinen Kopf.“
- Wir auch und Gabi bringt jetzt Nahrung … |